Apropos Schuld: Wie wäre es mal mit geradestehen?

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Mein gesamtes christliches Leben über war ich der Meinung, dass es etwas Gutes ist, meine Schuld auf Jesus abladen zu können. Die meiste Zeit über war das gar keine bewusste Meinung, aber eben dieses Gefühl oder so ein implizites Wissen. Eigentlich hätte ich das auch noch bis vor kurzem gesagt, wenn mich jemand gefragt hätte, was mir fehlt, seit ich nicht mehr an Gott glaube. Ein Aspekt wäre in jedem Fall diese Gewissheit gewesen, dass da jemand ist, der mir meine Schuld abnimmt, auf den ich einfach alles abladen kann, wovon ich der Meinung bin, dass es Fehlverhalten, Schuld oder etwas in dieser Kategorie sein könnte.

Dann hatte ich ein Gespräch mit einer Bekannten, in dem es um die Trennung einer anderen Bekannten ging. Diese Bekannte hatte sich vor kurzem von ihrem Freund getrennt und als wir über die Gründe und Motive geredet und auseinandergenommen haben, kam natürlich auch unausweichlich zur Sprache, dass selbstverständlich ausreichend gebetet und sich Gottes Zustimmung rückversichert wurde. Und an diesem Punkt traf es mich wie der vielbeschworene Blitz: So kann man auch Verantwortung von sich schieben. So einfach ist das. Man braucht nur einen Gott, der alles übernimmt. Meine frisch getrennte Bekannte hatte, wie sich aus dem Gespräch ergab, durchaus Schuldgefühle oder ein schlechtes Gewissen oder so etwas in der Art und die indem sie die Entscheidung auf Gott schob, schob sie natürlich auch, und vor allem, die Verantwortung auf Gott. Es ist eben irgendwie einfacher zu sagen: „Du, tut mir leid, aber Gott will das auch so, er hat mir gezeigt, dass das der richtige Weg ist“, als: „Ich will diese Beziehung aus folgenden, rein mich betreffenden Gründen nicht mehr“. Auch im Bezug auf die eigenen Gewissensbisse kann eine entscheidungsabnehmende Gottheit durchaus erleichtern.

Toll an diesem Absolutionspaket ist auch, dass die Vergebung gleich inklusive ist. Äußerst bequem, super Service. Ich lasse mir mein Fehlverhalten gegenüber einer anderen Person einfach von einer dritten unabhängigen Instanz vergeben. Super! Keine unangenehmen und demütigenden Bitten um Entschuldigung im Angesicht derer, die ich verletzt habe. Dass an diesem Konzept etwas nicht ganz funktioniert, war mir als Christ komischerweise zu keinem Zeitpunkt bewusst. Zu sehr war ich eingelullt in der verantwortungsfreien Kuscheldecke.

Da saß ich da also auf der Parkbank und konnte mich gar nicht mehr auf die interessanten Schilderungen der Rituale, die zur Entscheidungsfindung Gottes beigetragen hatten, konzentrieren – unter anderem hatte sie ganz schriftgemäß ein Fell nach draußen gelegt (vgl. Richter 6, 37) – denn es war mir klar geworden: Genau darum ging es auch in meinem christlichen Leben die ganze Zeit. Ich wollte keine Schuld loswerden, ich wollte Verantwortung loswerden. Ich brauchte jemanden, hinter dem ich mich verkriechen konnte und der für mich geradesteht, wenn ich mich falsch verhalten hatte, Anstatt die Konsequenzen meines Handelns und die damit einhergehende Verantwortung zu akzeptieren. Klar, das ist manchmal unangenehm, sehr unangenehm, wenn man selbst für sein Fehlverhalten einsteht. Aber ebenso ist es das, was uns erwachsen, selbstständig und mündig macht. Denn dann können wir eben auch für die Dinge selbst verantwortlich sein, auf die wir stolz sein können und die wir gut gemacht haben. Ich werde, so trivial und selbstverständlich das auch klingt, ab sofort auch innerlich bewusst für mein eigenes Verhalten geradestehen und sicherlich werde ich, wenn nötig, dabei auch Hilfe und Vergebung annehmen. Aber ich brauche keinen Gott, hinter dem ich mich feige verstecken muss.

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