Einmal Hölle und nie wieder zurück

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Wenn ich darüber nachdenke, müsste ich eigentlich wütend sein. Und dann auf der anderen Seite gibt es niemanden, auf den ich wütend sein oder dem ich Vorwürfe machen könnte. Aber wahrscheinlich kann man auch wütend sein, ohne eine Person zu involvieren, oder? Das Komische an der ganzen Sache ist, dass eigentlich niemand etwas schlechtes im Sinn hatte. Niemand wollte mir schaden oder hat es schlecht mit mir gemeint. Eigentlich meinten alle es gut und hatten nur mein Bestes, mein Seelenheil im Sinn. Das macht die ganze Sache so perfide. Ich bin als Kind in dem festen Glauben aufgewachsen, dass es da eine Instanz gibt, die mich in jeder Sekunde meines Daseins beobachtet, bewertet und beurteilt und zwar noch bevor ich in die Schule kam. Mein unhinterfragtes Weltbild beinhaltete, dass die realistische Gefahr besteht, dass ich durch einen geistlichen Fehltritt von meinem Gott verstoßen werde und dann auf ewig in der Verdammnis existieren müsste. Für immer. Wie diese Verdammnis aussah, konnte aber keiner so richtig sagen, nur dass es ziemlich schlimm sein würde. Für immer getrennt von Gott, dem Wesen, das mir als Mensch erst meinen Daseinsinn und meinen Wert gibt. Trennung von Gott war also ewige Sinn-, Wertlosig- und Einsamkeit. Ich war ein Kind. Aber es war gut gemeint. Und letztendlich ist es ja auch konsequent und ehrlich, wenn man weiß, was einem bei Fehlverhalten blühen kann, alles daran zu setzen, seine Kinder und Verwandten und Freunde und überhaupt alle davor zu bewahren. Nur, ab wann das Fehlverhalten so schlimm war, dass man sein Seelenheil verlor, konnte einem auch keiner so wirklich sagen. Also lebte ich in einer ständigen ängstlichen Ungewiss- und Unsicherheit, wann denn der Bogen überspannt sein würde und herausfinden würde ich es auch erst nach meinem körperlichen Tod. Das nenne ich mal Cliffhanger. Es gab ja leider keine Gedankenpolizei, die einem, bevor man es übertrieb, nochmal die gelbe Karte zeigen konnte; nur eine ominöse antike mehrfach übersetzte und -tragene heilige Schriftensammlung, die von jedem einzelnen Gemeindemitglied anders ausgelegt wurde und eben, ja, die einzelnen Meinungen dieser Gemeindemitglieder. Und dann gab es da noch die Sünde wider den Heiligen Geist. Das Vergehen par excellence, die Mutter aller Sünden. Das Meiste konnte von Gott vergeben werden, nicht jedoch die Sünde wider den Heiligen Geist. Beging man die, war, um ein eingängiges Idiom zu zitieren, auf das ich letztens gestoßen bin, der Arsch ab. Aber was ist denn diese Sünde wider den Heiligen Geist denn bloß, wird sich die alarmierte Leserin nun verständlicher Weise fragen. Nun, das weiß eigentlich keiner so genau. Irgendwie, wenn man mal Christ war und dann keiner mehr ist oder wenn man sich explizit vom Heiligen Geist lossagt, dann irgendwie so. Und, wusste mein Pastor, solange man Angst davor hat, sie zu begehen, dann hat man sie noch nicht begangen. Puh, wie beruhigend. Das heißt ja dann, dass all die durchwachten Nächte, die ich als kleines und größeres Kind in panischer Angst vor der Verdammnis und der Hölle verbracht habe, weil ich vielleicht nicht gut genung war, und ja, dass das mulmige Gefühl, ob ich nicht doch für meinen Unglauben in die Hölle komme, das ich auch jetzt gerade mittdreißig mich seit zehn Jahren als Atheist bezeichnend diese Zeilen schreibend habe, weil sich diese Angst vor der Verlassenheit, dem Falschsein, in mein Bewusstsein gefessen hat, nur ein Indikator dafür sind, dass ich diese unverzeihliche Sünde aller Sünden noch nicht begangen habe. Zum Glück! Zum Glück haben es so viele Menschen gut mit mir gemeint!

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